Ich spiele, also lerne ich – wie Gamification Mitarbeitende zum Lernen motiviert

25.04.2023
G DATA Blog

Noch nie waren E-Learnings im Generellen und Awareness-Trainings im Speziellen so sehr unter Beobachtung wie zurzeit. Verantwortliche fragen nach Lösungen, die Mehrwert bieten und sicherstellen, dass Mitarbeitende die Einheiten bis zum Ende durchlaufen. Damit möglichst viel „Stoff hängenbleibt“. In diesem Blogbeitrag liefern wir die passenden Antworten.

Unternehmen achten genau darauf, wie viel Zeit ihre Mitarbeitenden in verschiedenen Weiterbildungsmaßnahmen verbringen. Und oftmals steht diese Lernzeit in Konkurrenz zur Arbeitszeit, in der sie nicht „effektiv“ arbeiten. Daher suchen Verantwortliche gezielt nach Lösungen, mit denen sie maximalen Lerntransfer von Beginn an generieren können. Gerade bei einem zentralen Thema wie IT-Sicherheit.

Moderne Weiterbildungen zielen auf nichts anderes als die sofortige Festigung von Wissen – vom ersten Moment einer Trainingseinheit an. Denn Lernende sollen nicht viel Zeit am Stück in einem Training verbringen und dann am Ende doch nichts behalten. Das Problem: „Traditionelle“ E-Learnings mit viel Text, Information und wenig Abwechslung, welche zur Wissensvermittlung eines multidimensionalen, komplexen Themas eingesetzt werden, erfordern mehrere Wiederholungen, damit bei den lernenden Personen zumindest etwas hängen bleibt – Der Psychologe Hermann Ebbinghaus lässt grüßen.

Das Problem vieler Verantwortliche aus dem Personalbereich, aber auch Finanzverantwortliche: „Lernzeit ist für uns Arbeitszeit.“ Und: „Zeit ist Geld!“ Die Lösung dieses Dilemmas: Trainings müssen Wissen schlicht direkt festigen. Ab Sekunde Eins. Stellt sich nur die Frage: Wie?

Die Antwort darauf lautet:  Mit interaktiven E-Learnings wie etwa Serious Games, die direkt die intrinsische Motivation ansprechen. Aber wie wird intrinsische Motivation generiert? Dafür braucht es ein klares Ziel, eine direkte Ansprache, einen gewissen Grad an Emotionalität und auch Spaß. Auf diesem Weg formen Trainings in ihrer grundlegenden Form intrinsische Motivation, die aus dem Inneren heraus entsteht. Es lässt sich auch salopp so formulieren: Eigen-Motivation ist immer nachhaltiger als die, die erst von außen durch Anreize wie Geld geschaffen werden muss.

Ein bisschen Theorie zur intrinsischen Motivation:

Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi hat die intrinsische Motivation im Zuge des „Flow-Effekts“ näher untersucht. Der Flow-Effekt ist zusammengefasst ein Zustand vollständiger Konzentration in Bezug auf eine Tätigkeit, ohne die ungeteilte Aufmerksamkeit zu verlieren, beispielsweise dem Lernen. Die Zeit vergeht dabei wie im Flug oder eben im „Flow“.

Interessant auch: Flow entsteht nur im aktiven Tun. Flow kann dabei als die höchste Form der intrinsischen Motivation bezeichnet werden.In diesem Zustand des Flow wird die Aufnahme von Informationen für eben diesen Zeitraum maximiert.

Wer sich generell die Frage stellt „Warum sollte ich gamifizierte Trainings oder Game-based-Trainings nutzen?“ findet hier die Antwort: Diese Formate holen lernende Personen aus der Passivität, indem sie intrinsisch motivieren. Je mehr das einem Training gelingt, desto mehr bleibt davon hängen. Die Gleichung lautet also:Game-based-Learning = Ansprache intrinsischer Motivation = Maximierung des Lerntransfers.

Natürlich motiviert nicht jedes Serious Game automatisch intrinsisch. Damit Serious Games intrinisch motivieren und somit den Lerntransfer maximieren, müssen Sie „relevant“ sein.

Ein Beispiel: Im Aufbau-RPG (Role-playing-Game) „Minecraft“ müssen Spieler*innen beispielsweise. „Rezepte“ lernen, um Gegenstände herzustellen, welche das Überleben in dieser virtuellen Welt erleichtern. Ein Stock und zwei Bretter ergeben in diesem Spiel ein Holzschwert. Würde man Ihnen diese Information einfach aufschreiben und weitergeben, wie etwa in diesem Post, dann behalten Sie dies nicht lange. Warum? Es ist einfach nicht relevant für Sie. Minecraft-Spieler können Ihnen diese Frage auch im Tiefschlaf beantworten. Warum? Es ist relevant für sie, sie nutzen dieses Rezept permanent und wissen: Ohne dieses Wissen komme ich in diesem Spiel nicht weiter.

Dieses Beispiel macht deutlich: Der Mensch will rein evolutionär bedingt immer etwas lernen. Alleine, um überleben zu können (Überleben durch Anpassung). Er lernt am besten, wenn er intrinsisch motiviert ist („Ich brauche Informationen, um funktionieren zu können. Ich muss mir diese also so effektiv wie nur möglich einprägen.“) Der Mensch ist daher in solchen Situationen intrinsisch motiviert und lernt sehr effektiv. In unserem Beispiel findet das „Überleben“ zwar nur virtuell statt, die evolutionären Mechanismen, die angesprochen werden, sind aber die gleichen.

Motivation ist nicht gleich Motivation

Game-based-Trainings wie Serious Games sprechen unseren naturgegebenen Spieltrieb an und fördern gleichsam unsere intrinsische Motivation, was in diesem Kontext zu einer besseren Informationsaufnahme (einem besseren Lerneffekt) und damit direkt zu besseren Lernergebnissen führt. Aber am Ende müssen sich aber auch Serious Games im betrieblichen Kontext einsetzen lassen. Auch wenn diese Lernspiele auf den ersten Blick an ein Videogame erinnern, besteht ein wesentlicher Unterschied: Serious Games machen keinen Hehl daraus, dass sie Informationen vermitteln wollen. Anders als „klassische“ Videospiele, denn  diese funktionieren nur deswegen so gut, weil der Mensch rein evolutionär bedingt immer etwas dazu lernen will. Seien es neue Verhaltensmuster oder auch Informationen.

Denn Motivation ist nicht gleich Motivation. In der Theorie lässt sich die Lernmotivation in „kurz- oder langfristige Konsequenzen“ unterteilen. In einem klassischen Videospiel wie etwa Rollenspielen oder Simulationen a la Minecraft beziehen sich Belohnungen auf Levelaufstiege, Charakterentwicklung oder Highscores. All diese Punkte sind kurzfristige Konsequenzen, die sich durch das Spielen schnell erreichen lassen und deren Belohnungseffekt meist nicht wesentlich über die Zeit kurz nach Erreichen des Ziels hinausgehen.

Bei Lernspielen wie Serious Games im Speziellen und bei betrieblichen Trainings im Generellen sprechen wir dagegen von langfristigen Konsequenzen. Nämlich dann, wenn Mitarbeitende das Gelernte anwenden - wenn sie eine Phishing-Mail anhand der gelernten Warnzeichen identifizieren. Der Effekt des Lernens liegt also in der Zukunft. Dieser Umstand ist oftmals schwer zu greifen, da Menschen tendenziell dazu neigen, Sachen zu tun, die sich kurzfristig lohnen. Die lernende Person widmet sich lieber Dingen mit kurzfristiger Konsequenz, weil das Emotionsnetzwerk des Gehirns sehr stark auf Reize reagiert, die eine unmittelbare, schnelle Belohnung versprechen.

Langfristig kontra kurzfristig

Das bekannteste Beispiel für dieses Verhalten ist eine Studie rund um das „Delay discounting“. In dieser erhielten Kinder eine Süßigkeit, die sie entweder gleich essen durften, dafür aber keine zweite bekamen. Die Alternative: Nach einer kurzen Wartezeit hätten sie eine weitere Süßigkeit erhalten. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Die schnelle Belohnung überwog und somit die kurzfristigen Konsequenzen.

Langfristige Auswirkungen konkurrieren immer mit kurzfristigen Konsequenzen. Jede Entscheidung, die wir treffen, ist ein kleiner Kampf mit uns selbst. Oft beeinflusst von einem Missverständnis zwischen kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen. Das Problem: Der Mensch ist evolutionär so programmiert, dass wir in der Tendenz immer die kurzfristige Belohnung der langfristigen vorziehen.

Aus der Trainingssicht stehen Informationen beziehungsweise Weiterbildung immer in Konkurrenz mit allen kurzfristigen Belohnungen um uns herum. Und diese sind mannigfaltig: Kurz aufs Handy geschaut und eine SMS geschrieben, kurz eine Mail auf der Smartwatch mit einem Emoji beantwortet, kurz ein Spiel auf dem Smartphone öffnen, wenn man gerade mal Zeit hat. Diese Zeithätten auch hätte nutzen können um sich Wissen anzueignen… Ein ungleicher Kampf zum Nachteil digitaler Trainings.

Damit Schulungen nicht ungesehen bleiben und diesen Konkurrenzkampf verlieren, müssen sie funktionieren und Elemente nutzen, die Formate mit kurzfristigen Konsequenzen auch nutzen. Kurzum:Sie müssen kurzfristig werden. Interaktive Trainings, vor allem Serious Games, nutzen daher schnelle Erfolge oder Belohnungen, die kurzfristig (!) dem Lerner angezeigt oder ausgespielt werden. Das kann ein Feedback sein, ein neuer Highscore oder generell die Visualisierung des Fortschritts. Denn in spielerischen Lernformaten lassen sich diese Mechanismen extrem leicht konzeptionell integrieren und im fertigen Spiel einbauen. Das hat zur Folge, dass Lernerinnen und Lerner die Trainingsepisode oder die gesamte Lerneinheit absolvieren.

Mach es zu DEINEM Problem!

Neben den bereits genannten Faktoren setzen moderne E-Learnings auch noch auf die direkte Ansprache der Lernenden. Damit ist gemeint, dass die Lerneinheit einen für die lernende Person greifbaren Problemraum öffnen muss. Kurzum: Die Lernenden müssen erkennen, dass das im Training behandelte Problem auch „ihr“ Problem ist und sie direkt betrifft. Vor allem im Bereich der Cybersicherheit ist diese Kommunikation absolut essenziell. Die Lernenden werden nur dann ihr Verhalten gegenüber Cybergefahren ändern, wenn sie verstehen, dass etwa Phishing alle und jeden betrifft. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Kontext stellen solche Mails eine ernst zu nehmende Gefahr dar.

An dieser Stelle hilft ein Blick auf das „PMT“-Modell, das „Protection-Motivation-Theory“-Modell des amerikanischen Psychologen Ronald W. Rogers. Dieses setzt sich mit der Frage „Was bringt einen Menschen eigentlich dazu, sein Verhalten oder seine Meinung in Anbetracht von Bedrohungen oder Risiken zu ändern?“ auseinander. Rogers führt dabei zwei „Appraisals“, also „Einschätzungen“, des Menschen an. Das „Coping Appraisal“, die Einschätzung, ob eine Person mit einem Risiko oder einer Bedrohung umgehen kann, und das „Threat Appraisal“, also die Einschätzung, wie hoch das Risiko ist. Menschen ändern ihr Verhalten in Relation auf eine Situation nur dann, wenn das Coping Appraisal höher als das Threat Appraisal ist, also die eigene Wahrnehmung in Bezug auf die Bewältigung einer Bedrohung höher als die Einschätzung der Bedrohung.

Diesen beiden Appraisals hat der Wirtschaftsforscher und Politologe Matthew Oakley um einen Teilaspekt erweitert. Neben dem Threat Appraisal und dem Coping Appraisal hat Oakley das „Ownership Appraisal“ ergänzt. Das Ownership Appraisal besagt, dass der Mensch nur dann sein Verhalten in einer Bedrohungssituation ändern wird, wenn er das Problem zu SEINEM Problem macht. Kommunikation ist dabei alles: Mitarbeitenden muss klar sein, dass es ihre Pflicht ist, sicherheitsbewusst zu handeln.

Fazit: Let‘s Play and Learn

Moderne E-Learnings, vor allem Serious Games, verbinden verschiedene Methoden, Modelle und Theorien aus unterschiedlichen Disziplinen der Psychologie miteinander. Dabei sind gamifizierte Formate besonders zielführend, wenn es darum geht, Wissen zu festigen oder dessen Transfer zu maximieren. Daher sind Serious Games mehr als nur bunte, verspielte, kurzweilige Lückenfüller. Es führt lernende Personen eine Bedrohung vor Augen, die sie betreffen kann, und gibt ihnen dann im letzten Schritt auch zu verstehen, dass diese Bedrohung lösbar ist. Sie erkennen, welche Auswirkungen Fehlverhalten haben kann. Und mit dem richtigen Verhalten schützen sie nicht nur sich selbst und ihr eigenes Postfach, sondern ihren Arbeitgeber und damit auch die Arbeitsplätze der Kolleg*innen.

Von Christian Laber
Head of E-Learning Development

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